Munitionsbergungstaucher im Wallgraben in Ziegenhain (Deutschland)

Schaufelbagger siebt den Schlamm: Die Räumungsarbeiten am Kleinen Wallgraben sind fast abgeschlossen.© Sylke Grede
Schaufelbagger siebt den Schlamm: Die Räumungsarbeiten am Kleinen Wallgraben sind fast abgeschlossen.© Sylke Grede

Munitionsbergungstaucher gehen dem Wallgraben in Ziegenhain auf den Grund Tauchen in der Geschichte

(28.04.2009)

Schwalmstadt. Eigentlich könnte der Arbeitsplatz von Thomas Borchert, Stephan Heckert und Bernd Kletterniß idyllischer nicht sein. Das Trio von der Firma Schollenberger Kampfmittelbeseitigung aus Celle schippert auf einer Art Floß, ist immer an der frischen Luft und erlebt ständig was Neues. Doch was sie in Ziegenhain zu tun haben, ist anstrengend und mitunter gefährlich: Die drei suchen seit Anfang April im Großen und Kleinen Wallgraben nach Resten aus dem Zweiten Weltkrieg, wie Munition und Minen.

Bereits vor zwei Wochen war dabei in Ufernähe, in unmittelbarer Nähe zum Gefängnis, eine noch scharfe Panzermine gefunden worden. Experten hatten die Mine noch am Fundort gesprengt, weil ein Transport zu gefährlich war (wir berichteten).

Mit Messsonden hatten die Kampfmittelexperten erstmals bereits vor drei Jahren die Stellen in den historischen Gräben herausgefunden, an denen im Wasser besonders dichte Metallansammlungen zu finden sind. Daraus entstand Kartenmaterial, mit dem mittels satellitengestützter Technik jede Position genau aufzufinden ist. “Das passt bis auf zehn Zentimeter genau”, erklärt Thomas Borchert, der wie sein Kollege Munitionsbergungstaucher und Feuerwerker ist. Von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr arbeiten sich die beiden derzeit in schwerem Taucheranzug durch das Wasser und den Schlamm des Kleinen Wallgrabens. Über 50 Kilo wiegt die Taucherausrüstung samt Sauerstofflaschen und Helm.

Währenddessen hält Signalmann und Maschinist Bernd Kletterniß per Tauchertelefon Kontakt zu den Kollegen unter Wasser. Immer abwechselnd, in Schichten bis zu drei Stunden, suchen die Taucher tastend mit den Händen nach Metall. Denn sehen können sie unter Wasser nichts. Um sich durch Schlamm und den enormen Seerosenwuchs einen Weg zu den errechneten Fundorten zu bahnen, tragen die Taucher ein armdickes Schlauchrohr mit sich. Dessen Wasserstrahl bläst quasi den Weg frei.

Metall: Das kann ein altes Bettgestell oder ein Fahrrad sein, aber auch Munition, Granaten oder ein alter Panzerfaustkopf. Eine solche zog Stephan Heckert am Montag aus dem Wasser.

Weil er ertasten konnte, dass der Zünder fehlte, war der Kopf der Panzerfaust problemlos zu bergen. Nach Jahrzehnten immer noch mit 2,5 Kilo Sprengstoff gefühlt, wird der Fund in einem Bunker zwischengelagert und später von Profis auf sicherem Gelände gesprengt.

Zehn mehrere Quadratmeter große Flächen, sogenannte Betestungsfelder, werden die Kampfmittelexperten noch bis voraussichtlich Ende Mai untersuchen. Zwar hatten die Kampfmittelräumer in ganz Deutschland schon Aufträge, die spektakulärer waren. Aber der Wallgraben sei schon etwas Besonderes, meinen die Männer. Thomas Borchert: “Dieses Gewässer hat eine interessante Geschichte.”

Ein Erbe des Krieges

Bei der Suche nach Kampfmitteln im Wallgraben sind neben den Resultaten der Messfahrten historische Nachforschungen in die Planung mit eingeflossen, erklärt Dr. Reiner Braun. Der Geologe erkundet im Auftrag des Landes Hessen das historische Gewässer und leitet die Sanierung. Gerhard Gossens vom Kampfmittelräumdienst Hessen hatte bestätigt, dass Ziegenhain im Zweiten Weltkrieg von Bombardements verschont blieb. Hinweisen und Augenzeugen-Berichten aus der Ziegenhainer Bevölkerung zufolge landete vor mehr als 60 Jahren dennoch einiges Militärmaterial im Wallgraben: Deutsche Soldaten auf dem Rückzug und später amerikanische Truppen entsorgten dort Munition und Granaten, wo sie mit ihren Lastwagen dicht am Gewässer vorbeifahren konnten.

So wurde viele Jahre später auch mit Hausmüll wie Waschtrommeln und Fahrrädern verfahren. Vorrangig räumen die Kampfmittelexperten derzeit die Uferbereiche. (jkö)

Von: Jürgen Köcher, HNA online, 29.04.2009